In einem Wahljahr ist die Politik zum Erfolg verdammt, denn im Wahljahr wird Bilanz gezogen. Unser Eindruck: Mit dem Baugebiet Bisamstraße soll diese Bilanz aufgebessert werden. Die degewo soll auf die Schnelle noch zahlreiche Wohnungen liefern, zumindest auf dem Papier. Dass dies auf Kosten der Menschen im Mahlsdorfer Norden geht, ist der Politik in Berlin-Mitte egal. Deshalb plant man am Bedarf vorbei und rechnet den Menschen die Belastungen schön. Ein paar Fakten zu diesem Wahlkampfmanöver.
Welcher Wohnraum ist an welcher Stelle sinnvoll
Es ist eine Binsenweisheit: Berlin benötigt mehr bezahlbaren Wohnraum. Wir suchten heute auf Immobilienscout 4-Raum-Wohnungen in Berlin bis 1000€ Kaltmiete. Wohnraum für Familien für 3 oder 4 Personen. Ergebnis: 36 Wohnungen fanden wir, davon 20 so genannte „Tauschwohnungen“. Wer keinen Tauschpartner findet, muss sich mit den restlichen 16 Wohnungen begnügen. Berlinweit.
Hier ist es offensichtlich: Wohnraum für Familien wird dringend benötigt. Größere, günstige Wohnungen.
Und die degewo? Diese möchte zukünftig Wohnungen für durchschnittlich 1,9 Personen bauen, so ihre Verlautbarungen. Im B-Plan für den Bisamkiez wurde ursprünglich mit 3,2 Personen pro Einfamilienhaus geplant. Wohnraum für Familien halt. Bedarfsgerecht. Dem macht die degewo einen Strich durch die Rechnung, wenn sie nun kleine Wohnungen errichtet.
Wie viel Wohnraum insgesamt in Mahlsdorf geschaffen werden darf, bestimmt der B-Plan. Dieser Wohnraum kann nun auf viele kleine oder weniger größere Wohneinheiten aufgeteilt werden.
Kleine Wohnungen = mehr Wohnungen
Wieso macht die degewo sowas? Wo plant sie denn Wohnraum für Familien, wenn nicht dort, wo es den noch verhältnismäßig günstigen Platz dafür gibt? Letztlich wird die simple Anzahl an Wohnungen/Wohneinheiten gerne als Erfolgsnachweis der Wohnungsbaupolitik herangezogen. Daher liegt die Vermutung nahe, dass der degewo-Plan zu großen Teilen das Ziel verfolgt, die Aktenlage zu polieren und Wohneinheiten zu erzeugen. Setzt man die bisher bekannten Zahlen zum degewo-Bauvorhaben zusammen, ergibt sich eine vermutliche, durchschnittliche Wohnungsgröße von etwa 70 qm. Das entspricht Zweizimmerwohnungen nach aktuellen Maßstäben.
Auch nach Zweiraumwohnungen suchten wir bei Immobilienscout und fanden dabei in Berlin 671 freie Wohnungen. Das heißt: etwa vierzig mal mehr Zweiraumwohnungen statt Vierraumwohnungen. Daher fragen wir uns: Plant die degewo in der Bisamstraße wirklich bedarfsgerecht?
degewo-Rechnung: 200 Wohnungen für 200 Menschen…
Nach Aussagen der degewo führen deren Planungen nur zu moderater Verdichtung an Wohnraum und Menschen. Statt geplanten 1100 Personen würden dann 1300 Personen in der Bisamstraße leben. Nur 200 Personen mehr.
Wirklich passend ist diese Rechnung aber nicht. Die degewo möchte 324 Wohnungen an der Stelle errichten, an der zuvor 120 Einfamilienhäuser geplant wurden. 200 Wohnungen mehr und nur 200 zusätzliche Menschen? Wie kann das funktionieren? Hier die Aufklärung.
„Nur“ 200 zusätzliche Menschen: Der Kniff mit der Einwohnerzahl
Hier werden Zahlen und Bezugsgebiete wild gemischt. Die Einwohnerzahlen gehören nicht zur bereitstehenden Baufläche.
Der zugrundeliegende B-Plan umfasst eine etwa 3-mal so große Fläche für insgesamt 333 Wohneinheiten auf 323 Grundstücken. Auf dieser Gesamtfläche sollen nach bisheriger Bebauung und Planung ca. 1100 Menschen wohnen. Etwa 30% (128 Grundstücke) sind noch unbebaut. Hier plant die degewo. Statt 128 Wohneinheiten sollen nun 324 Wohneinheiten entstehen. Das bedeutet eine Verdreifachung an Wohneinheiten für diesen Teilbereich. Auch für Laien ist ersichtlich, dass die Verdreifachung der Anzahl von Menschen und Wohnraum mitunter nicht von der Infrastruktur gestemmt werden kann.
Die degewo bedient sich dabei attraktiverer Zahlen mit einem Kniff. Die starke, lokale Verdichtung wird rechnerisch einfach auf das gesamte B-Plangebiet verteilt. Unabhängig davon, dass sich das Vorhaben nur auf ein Teilgebiet konzentriert. Das führt nach unserer Auffassung zur Verschleierung der Intensität der Verdichtung.
Nicht einmal 2 Personen pro Wohnung
Die degewo plant nach eigener Aussage mit einer durchschnittlichen Belegung von 1,9 Personen für jede ihrer 324 Wohneinheiten, also 616 Personen insgesamt. Das klingt wenig realistisch.
Allerdings: von 324 Wohneinheiten plant die degewo 44 Einheiten als Einfamilienhäuser. Höchstwahrscheinlich werden in diesen 44 Einfamilienhäusern auch Familien wohnen. Für diese 44 Wohneinheiten kann man also den ortsüblichen Schlüssel von 3,2 Personen je Haus annehmen. Dadurch würde sich die Anzahl an Personen pro Mietwohnung auf 1,7 reduzieren.
616 Personen in 324 Wohneinheiten teilen sich demnach wie folgt auf:
- 3,2 Personen in jedem der 44 Einfamilienhäuser = 141 Personen
- 1,7 Personen in jeder der 280 Mietwohnungen = 475 Personen
Bei diesen Zahlen drängt sich uns also die Frage auf: wird hier mit realistischen Werten gerechnet? Oder müssen wir davon ausgehen, dass eine deutlich höhere Zahl ein Einwohnern zu erwarten ist?
Realität vs. Rechnung
Auf dem Papier, weit weg vom zukünftigen Baugebiet, können degewo und Senat die Zahlen schönrechnen. Zahlen werden nach Bedarf auf unterschiedlichste Bezugsräume fokussiert und lange jongliert. Das heldenhafte Schaffen von Wohneinheiten auf dem Papier erscheint dann plötzlich im Gewand einer angeblich lokal verträglichen Maßnahme. Nach unserer Einschätzung liegen hier Planung und Realität weit auseinander.
Betrachtet man die Sache genauer, so ergeben sich beim degewo-Großbauprojekt nach unserer Recherche und Rechnung folgende Eckpunkte:
- Verdreifachung der Wohneinheiten im geplanten Baugebiet
- Anstieg der Bevölkerung um mindestens 50% im geplanten Baugebiet, jedoch nur durch
- Definition eines absolut ortsunüblichen Belegungsschlüssels von 1,9 Personen je Wohneinheit
- Grundsätzlich keine Schaffung von dringend benötigtem, bezahlbarem Wohnraum für Familien
- stattdessen Schaffung kleinster Wohnungen für durchschnittlich 1,7 Personen je Wohnung
- Agieren am Bedarf vorbei
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